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Wortwechsel

Berlin, 17.09.2020

Sehr geehrter Hermes – Computer,

seit Wochen bekomme ich von Ihnen standardisierte Mails, in denen ich aufgefordert werde, mich mit Amazon in Verbindung zu setzen, damit ich Zitat “einen erneuten Versand der verloren gegangenen Ware veranlassen kann”.

Vermutlich haben Sie die Mails nicht gelesen, die ich seit Wochen an Sie schreibe. Sonst wüssten Sie, dass ich die Sendung nach wenigen Tagen abbestellt und mir ganz analog Ersatz beschafft habe.

Zuvor war ich im Feierabendrummel dreimal vergeblich in einen Tabakladen gehastet, da Sie mir einmal täglich schriftlich versichert hatten, nun sei mein Paket dort. Ich bin gutgläubig.

In einer weiteren Mail hatte ich Sie unterrichtet, dass die Tabakladen-Verkäuferin ab dem dritten Tag meiner Nachfragen eine schrille Stimme bekam und mich vor einer Schlange wartender Kunden aufforderte, doch hinter den Thresen zu kommen, um mich persönlich davon zu überzeugen, dass nichts da sei. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, wusste sie zu berichten, dass etliche Pakete von Hermes im benachbarten Supermarkt abgegeben worden seien, ich solle doch dort mal forschen. Möglicherweise sei mein Paket auch in einem der anderen 25 Geschäfte des kleinen Centers gestrandet.

Am Tag darauf (Sie hatten mir erneut versichert, das Paket sei nun angekommen) nickte die Verkäuferin euphorisch und hielt mir ein 1.50 Meter großes Etwas entgegen. Sie konnte meiner Argumentation folgen, dass die Verpackung einer Computermouse in der Regel anders aussieht. Ein Blick auf den Adressaten bestätigte, dass nur Herr Lehmann ein Glückspilz ist.

Meine Mouse kreiselt vermutlich im „Hermes Orbit“. Ich weine ihr keine Träne nach. Darum wäre es wundervoll, wenn Sie das Absenden von Mails einstellen würden, in denen ich aufgefordert werde, neu zu bestellen und zu bezahlen für eine Ware, die sich vielleicht wieder in Luft auflöst.

Schämen Sie sich eigentlich nicht? Sie sind doch nach dem Schutzgott der Reisenden und des Verkehrs benannt. Oder hat der Herr Scheuer auch bei Ihnen seine Finger im Spiel: Bezahlen für Maut und Mouse – und zack:alles weg?

Entschuldigen Sie meinen Zynismus. Ich habe noch immer die Vorstellung, dass ein Mensch auf der “anderen Seite” des Bildschirms sitzen könnte, der meine Mails nicht nur liest, sondern vielleicht versteht. Das ist (noch?) zu viel von Ihnen verlangt, ich weiß. Aber notfalls muss Sie mal einer umprogrammieren, sofern es bei Hermes noch Humanoide arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Hempelmann
(Kommunikationsexpertin)

Kommunikationsfallen: Text – Bild – Scheren

Auch die Polizei Hamburg träumt in ihrer Werbung – und zwar von geeignetem Nachwuchs. Botschaft: Molliger Wonneproppen wirst bei uns pennend Oberkommissar.